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Denkenswertes

7 kleine Beobachtungen

Händehalten tut gut

Vor nicht all zu langer Zeit feierten meine Frau und ich das 20jährige Jubiläum unserer Partnerschaft. Ein besonderer Moment, in dem ich mich auch fragte, wohin die Zeit so schnell verflogen ist. Nicht erst seit diesem Jubiläum denke ich über unsere Beziehung nach, und ich freu' mich über ein paar wenige Schlüsse, die ich nach 20 Jahren Ehe ziehen kann. Vielleicht ist ja was für dich dabei.

Zurückblicken

Es tut gut, sich an die gemeinsame Vergangenheit, die Erlebnisse, die Höhen (und auch die Tiefen) zu erinnern. Alte Fotos helfen dabei ungemein, und die Erinnerungen bleiben wach. Und wenn schmerzhafte und enttäuschende Erfahrungen ins Bewusstsein dringen, dann ist das Wissen um die gegenseitige Vergebung die beste Heilsalbe, die die Wunde (oder Narbe) entspannt und verschließt.

Du bist, wer du bist: Veränderung

Es hat sich als Illusion erwiesen, sein Gegenüber verändern zu können. Wer mit der Idee in eine Beziehung geht, seine Partnerin, seinen Partner schon noch zu verändern, der setzt sich eine unmögliche Aufgabe. Es unmöglich, einen Menschen zu formen, sieht man von toxischen Beziehungsmustern und Abhängigkeiten, Manipulation oder Gewalt ab (selbst dann kann man nicht von echter Veränderung sprechen). Jedoch: Transformation passiert von ganz allein und mit allen Beteiligten. Zu Beginn unserer Partnerschaft bin ich auch in diese Falle des "Verändernwollens" getappt. Aber glücklicherweise hat das Leben seine eigene Geschwindigkeit. Und im Rückblick stelle ich dankbar fest: Große Änderungen begannen klein und haben uns als Paar gemeinsam verändert. Jeder behält seine Individualität (und das ist das Beste), und dennoch verändern wir uns "zu einander hin".

Freiraum und Nähe - Vertrauen trägt

Geben und Nehmen ist eine Dynamik, die eine Beziehung fit erhält. Dankbar denke ich an die vielen zeitlichen oder finanziellen Freiräume, die mir meine Frau durch ihr "Geben" ermöglicht hat. Und ebenso denke ich an viele Gelegenheiten, zu denen sie ganz für sich alleine losgezogen ist, um die Welt zu erkunden und zu erobern. Es muss auch nicht unbedingt die ganze Welt sein: Ausbildungen, Aktivitäten mit Freunden, oder auch nur mal - ganz allein und ohne Partner - Schwimmen gehen, all das erhält die eigene Autonomie. Und die liegen gebliebenen Aufgaben zu Hause übernimmt der jeweils andere.
Es fühlt sich super an, zu wissen, wohin man gehört, und dass man jederzeit in die vertraute Beziehung zurückkommen kann. Dieses gegenseitige Vertrauen trägt.

Sex wird besser

Eine neue, junge Liebe wäre das Prickelnste und Erotischte überhaupt? Eine lange Partnerschaft ist langweilig und muss durch so manchen Seitensprung neuen Elan erhalten? Bulls**t. Das Tolle (nicht nur) am Sex ist, dass man lange üben muss, um es richtig gut hinzukriegen. Endecken, Ausprobieren, Zeit verbringen. Das deckt sich mit anderen Erfahrungen im täglichen Leben: FastFood oder 3Gänge **** Menü? Was braucht länger, was schmeckt besser? Natürlich gelingt Sex nicht immer und auch FastFood kann für den Hunger zwischendurch ausreichend sein. Eine sexuelle Beziehung wird meiner Meinung nach aber durch Nähe, genaues Kennenlernen und Ausdauer belohnt. Sex wird besser über die Jahre, wenn man sich drum kümmert und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Und zwar auch dann nicht, wenn im Bett zeitweilig Flaute herrscht.

Halte die Liebe wach

Es stimmt: things that come easily are not valued. Unsere Beziehung ist kein Selbstläufer. Wenn es auch Zeiten gibt, in denen wir uns nicht vorrangig um unser Miteinander kümmern, so benötigen wir auch immer wieder Energie, um uns an unser Versprechen füreinander zu erinnern. Dabei sprechen meine Frau und ich unterschiedliche Sprachen der Liebe, was die Sache nicht einfacher macht. Auf den Punkt gebracht: Ohne Aufwand, kein Ergebnis. In unserem Fall bedeutet das: Kommunikation! Reden, reden, reden, reden. Dazu nehmen wir uns Zeit.

Herausforderung "Leben mit Kinder"

Ein herausragender - wenn nicht der wichtigste - Angelpunkt in unserer Beziehungsgeschichte ist jener Moment, an dem wir Eltern geworden sind. Dank unserer Kinder und den Herausforderungen, die mit der Elternrolle ganz natürlich verbunden sind, haben wir uns in einer bis dahin unbekannten Tiefe kennengelernt. Und so mancher Tiefpunkt unserer Beziehung ("... mit wem ich denn da verheiratet?") wurde durch die Herausforderung der Elternschaft verursacht. Unsere Kinder halten uns einen Spiegel vor, und was wir sehen, gefällt uns nicht immer. Dementsprechend entdecken wir plötzlich Eigenschaften, die uns an unseren Kinder stören im Partner. Unser Heilmittel: Ehrlichkeit und Vergebung, sowie Geduld und Liebe, die dem Ärger trotzt. Und intensives Gedankentraining: Was finde ich Positives an meinen Kindern und an meinem Partner? Im Rückblick frage ich mich: Was wäre ich wohl geworden, ohne die Herausforderung des Vaterseins? Jedenfalls sehr erfahrungsarm.

Einigkeit

Es macht vieles einfacher, wenn jeder (m)eine Meinung hat. Klar.
Wenngleich mir oft suggeriert wird, dass Meinungsvielfalt der einzig mögliche Zustand des Zusammenlebens ist (gesellschaftlich, in der Demokratie, im Beruf, etc.), und zudem eine Quelle von Kreativität, Innovation und Entwicklung wäre: Mit meiner Partnerin eine wohl durchdachte, gut begründete, gemeinsame Meinung zu finden und aus dieser Einigkeit gemeinsame Ziele abzuleiten... ist eine tolle Sache - besonders, wenn es um die Urlaubsplanung geht.
Rückblickend auf unsere gemeinsame Geschichte stelle ich fest: Viele Diskussionen waren absolut wertvoll, um eigene Standpunkte zu überdenken und zu verändern, neue Denkweisen kennenzulernen, sich näher zu kommen oder Unterschiede besser definieren zu können.
Doch am Ende geht es dort voran, wo wir als Einheit agiert haben. Nicht in Kompromissen, sondern als Einheit.

Wenn mich Leute kennenlernen, zeigen sie sich manchmal beeindruckt davon, dass ich in einer über 20jährigen Ehebeziehung lebe. Im Gegenzug erstaunt es mich immer wieder, wieviel Hoffnung, Träume und Wünsche Menschen in eine "neue", frische Beziehung setzen, als könnte dies eine (Er)Lösung (von) für alle Schwierigkeiten sein. Sicher: Verliebtheit fühlt sich erhebend an und prickelt unterm Herz. Aber auch wenn die wohlige Gänsehaut vergeht, die Liebe kann bleiben.

Christian Macher ist Pädagoge für die Volksschule, IT-Berater, Web-Enthusiast, Dipl. Lebens- und Sozialberater in Ausbildung und unter Supervision.
Die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater mit Schwerpunkt Logotherapie hat ihn befreit, auch in frustierenden Situationen einen Perspektivenwechsel vorzunehmen.
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